Schloss-Strasse 4

Dieses Wohn-und Geschäftshaus wurde 1819 als Tuchladen von Tuchhändler Siegfried gebaut. 1868-1905 diente es als Sekundarschule (A8), später als Uhrmacherwerkstatt und Uhrenladen (im Westen), ab 1916 als Drogerie; 1952 östlicher Anbau mit Apotheke, weiterer Umbau 2009. Eleganter Stock unter Mansart-Walmdach. Massives Erdgeschoss mit Sandsteingliederung, Riegkonstruktion im Obergeschoss. Im Süden Treppenturm mit einem frühen Lift (um 1930).

Faden, Tuch und Kleidung

Der Siegfriedstock mit Laden im Westen, geradeaus die Apotheke | Bild: R. Deyhle, PVo 153

Ein bedeutender Handwerkszweig im Dorf war bis in die 1. Hälfte des 19. Jh. die Tuchherstellung. Als Webkeller könnten verschiedene Räume im Untergeschoss von Bauernhäusern gedient haben (z.B. Diessbachgraben 70). 1796 siedelte sich im Dorf die Tuchfabrik Siegfried an. 1819 baute der Tuchhändler den Siegfriedstock (Schloss-Strasse 4) als Tuchladen. Wohnung und Geschäftssitz hatte er aber im vorgelagerten, älteren Haus (Ende 18. Jh.) an der Thunstrasse 1. Daneben, an der Thunstrasse 3 war die zugehörige Walke und Färberei untergebracht. Zeitweise wurde die Walke an der Kiesen betrieben – im Vorgängerbau an der Freimettigenstrasse 5. In einer Walkmühle verfilzte man die Wollstoffe im warmen, feuchten Zustand durch Schieben, Quetschen und Stampfen zu einem zusammenhängenden Körper, sodass eine glatte Oberfläche entstand. Die Fäden des Gewebes waren nun versteckt, der Stoff wurde leichter und wasserabweisend. Leinen wurden gewalkt, um sie geschmeidiger zu machen. Beim Färben griff man vor der Erfindung der chemisch hergestellten synthetischen Farben (2. Hälfte 19. Jh.) auf zerriebene pflanzliche, tierische und mineralische Farbstoffe und Zusatzstoffe zurück. In unserm Fall wurden wohl ganze Tücher in ein Färbebad gelegt. Die Arbeit galt als schmutziges Geschäft, weil die Färber auch mit übelriechenden Substanzen (wie Urin) umgehen mussten. Wie im Detail bei uns gefärbt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Die spätere Nutzung des Hauses an der Thunstrasse 1 war vielfältig. Hier befand sich das Notariatsbüro von J.J. Schmalz

Der ehemalige Tuchladen an der Schulhausstrasse 2 | Bild: PVo 111

(1819-1834) und von 1834 bis 1868 der Gasthof zum Bären (W3). Später wurden Ladengeschäfte eingerichtet: etwa die Handlung Rasy-Bigler, ab 1908 die Tuchhandlung von Otto Hürlimann und anschliessend der Woll-, Mercerie-und Lebensmittelladen seiner Tochter Ilse. Heute ist hier passenderweise der Stoff-und Wulle-Egge untergebracht. Wie unter A6 erwähnt, bot eine Frau Adam in einer Ecke des ältesten Hauses von Oberdiessbach bis 1925 u.a. Merceriewaren an. Am Standort der «alten Pinte» von 1793 – der Vorgängerin des Rebstocks (W3) – wurde an der Schulhausstrasse 2 1904 ein Mercerie- und Tuchladen errichtet (Bild). Der Tuchladen Oppliger wurde von der Familie Siegenthaler weitergeführt. Schliesslich folgte mit dem Modegeschäft Zwahlen das ganze Programm: Kleider in allen Grössen. Das Modegeschäft auf dem Lande konnte sich aber nicht bis in die Gegenwart retten. Es musste um die Jahrhundertwende schliessen.

Die Branche wird seit 2010 im Dorf noch von der Firma Beck vertreten. Sie bietet an der Burgdorfstrasse 13 Berufs-, Sicherheitskleider und -schuhe sowie Promotionstextilien an. Und natürlich vom Wulle-Egge, der immer noch am Ort des historischen Geschehens unmittelbar vor dem Siegfriedstock tätig ist.

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