Burgdorfstrasse 22

Oberdiessbach hat einen positiven Pendlersaldo: Um einen Teil der 1200 Arbeitsplätze im Dorf zu besetzen, kommen heute also mehr Leute zum Arbeiten ins Dorf als Menschen das Dorf zum Arbeiten verlassen. Dafür mitverantwortlich ist v.a. auch die Firma Neopac, die hochwertige Polyfoil-und Kunststofftuben herstellt. Die Neopac ist heute der einzige grössere Betrieb im Dorf mit internationaler Ausstrahlung. Diese Geschichte hat aber ganz klein begonnen – mit einer Schreibfedernfabrik.

Von der Schreibfeder zur Tube

Helvetia-Schreibfedern | Bild: PVo 62

Im Jahr 1899 eröffneten die Gebrüder Flury, die in Biel eine Taschenuhren-Rohwerkfabrik betrieben, einen neuen Arbeitszweig: die Fabrikation von Schreibfedern. Als Standort für eine entsprechende Fabrik wählten sie im Jahr 1900 unser Dorf. Sie hatten ihre Idee vorher erfolgreich an der Schweizerischen Landesausstellung 1896 in Genf und 1899 an der Bernisch Kantonalen Industrie-und Gewerbeausstellung in Thun getestet. Die erste schweizerische Gesellschaft für Schreibfedernfabrikation trug den schönen Namen «Helvetia». Es war die Zeit, als in den Schulen oben rechts noch an jedem Pult ein Tintenfässchen montiert war und mit der Feder geschrieben wurde. Die Fabrik wurde nahe an der Stelle gebaut, wo sich im vorigen Jahrhundert noch eine Mühle und eine Gerbe befunden hatten. Sie wurde eingerichtet für eine tägliche Produktion von 400 bis 500 Gros Schreibfedern (1 Gros entspricht 12 Dutzend Exemplaren, umfasst also 144 Stück). Es gab 60 verschiedene Sorten, u.a. die feinen «Röseli-Federn» (rechts aussen im Bild). Der inländische Markt war aber zu klein. Und ausserhalb der Grenzen verhinderte die starke deutsche und englische Konkurrenz eine weitere Verbreitung der Oberdiessbacher Federn. So wurde 1906 anstelle der Schreibfedernfabrik ein neuer Betrieb gegründet: die AG Union. Sie stellte Blechdosen und Plakate aus Blech her. Präsident des Verwaltungsrates war der Kaufmann und Grossrat Gottlieb Neuenschwander (W12). Ab 1907 lag die Leitung in den Händen des ehemaligen Schreibfedern-Spezialisten Alfred Flury. Das Unternehmen gedieh und wurde mehrmals vergössert.

Die Blechdosenfabrik «AG Union» um 1924 | Bild: Stiftung Luftbild Schweiz, Walter Mittelholzer

1931 übernahm die Blechdosenfabrik Gebrüder Hoffmann AG aus Thun die AG Union. Für die «Goldene Apotheke Basel (GABA)» fertigte das Unternehmen Dosen für die Wybert Pastillen, auch bekannt als «GABA-Täfeli». 1953/54 entschied die Geschäftsleitung, zusätzlich in Kunststoff-Verpackungen zu investieren und diese dann über die neu gegründete Neo Pac AG zu verkaufen. Weil die neue Zahnpasta von GABA in der Kunststofftube austrocknete, entwickelte die Neo Pac AG 1965 die einzigartige Polyfoil-Tube mit einer von aussen unsichtbaren Alu-Schicht. Bis heute werden darin u.a. Elmex, Aronal und Meridol vertrieben.

1982 fusionierte die AG Union mit der am gleichen Standort tätigen Neo Pac AG zur Neopac AG. 1989 wurde die Flaschenaktivität verkauft und dafür die Fabrikation von Kunststoffverschlüssen aufgenommen. 1998 fusionierte die Neopac AG mit der Hoffmann AG zur Hoffmann Neopac AG mit Hauptsitz in Thun. Sie ist heute mit 370 Beschäftigten der grösste Arbeitgeber in Oberdiessbach und hat weitere Standorte in Thun (Metallverpackungen) sowie im Ausland (Ungarn, USA, Indien). Auf 12 Produktionslinien werden in Oberdiessbach jedes Jahr knapp 400 Millionen hochwertige Tuben aus Polyfoil für die weltweite Pharma-, Kosmetik-und Dentalindustrie produziert. Die Hoffmann Neopac AG ist somit der einzige grössere Betrieb in unserm Dorf mit einer internationalen Ausstrahlung.

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