Freimettigenstrasse 20
(MZa/HPS) Als der Schlossherr versuchte, in einer Art Wirtschaftsförderung um 1718 eine Seidenspinnerei sowie 1768 eine Glaserei am Homberg (Glasholz) einzuführen – ohne bleibenden Erfolg – konnten bis 1775 fünf deutsche Handwerkerfamilien als Burger von Glasholz aufgenommen werden, darunter Friedrich Vogt (1733-1809). Er kam 1755 von Baden-Durlach nach Diessbach, wurde 1768 Burger von Glasholz und begründete die hiesige Vogt-Dynastie. Nach Aufhebung der Gemeinde Glasholz (A10) wurden die Bewohner von Glasholz heimatlos und erst 1861 in den jeweiligen Wohngemeinden Diessbach, Herbligen und Bern eingebürgert, wo sie in der Folge verschiedenste Tätigkeiten entwickelten.
Aspekte aus der Familiengeschichte
Der Urenkel von Friedrich, Johann Jakob Vogt (1816-1876) war eine vielfältige Person. 1850 übernahm er das Rezept für den Diessbach Balsam, einem Heilmittel gegen Übelkeit, Blähungen, Erbrechen, Magenkrämpfe und Schnittwunden, das schon seit 1748 in Diessbach hergestellt worden war. Das Wundermittel blieb in der Familie und wurde zuletzt ab 1953 vom Apotheker Franz Vogt-Burkhard (siehe unten) fabriziert. Im Übrigen wirkte Johann Jakob als Lehrer u.a. in Steffisburg. Dann wurde er Waisenvater im Knabenwaisenhaus in Thun. 1849 wurde er Vorsteher der Zwangsarbeitsanstalt Thorberg. Als Freigeist mit fortschrittlichen Ideen im Strafvollzug wurde er noch im ersten Jahr wieder entlassen und wirkte ab 1853 als Armenkommissär des Buchholterberges (Region Oberdiessbach). Er schrieb mehrere Bücher über gesellschaftliche Fragen und erwarb sich so einen Doktor der Philosophie. Johann Jakob war 1858 «Mitgründer» der Gewerkschaft der Typographen. 1862 kam es zu einer Verfehlung im Umgang mit öffentlichen Geldern. Die Gefängnisstrafe wurde auf sein Gesuch hin schliesslich in Landesverweisung umgewandelt. In Milwaukee (Nordamerika) wirkte er dann wieder als Lehrer und wurde später Pastor in Alton (Illinois).
Das Wirken des Ehepaars Jakob (1855-1892) und Anna Vogt-Lüthi (gest. 1906) war auf Oberdiessbach ausgerichtet. Als der Bäcker Jakob nach einem Leistenbruch seinen Beruf aufgeben musste, verliess er das Haus an der Kirchstrasse 9, kaufte 1877 den «Rebstock» und wirtete dort (W3). Dem Ehepaar wurden acht Kinder geschenkt. Die Kinder prägten das Dorf als Erwachsene auf ganz unterschiedliche Weise. Felix (1876-1964), der Älteste, erlernte den Beruf des Uhrmachers. 1906 kaufte er mit seiner Frau Rosa Vogt-Neuenschwander (1875-1923) das alte Sekundarschulhaus (A8), den Siegfriedstock an der Schloss-Strasse 4 (W8) und richtete dort ein Uhren-und Bijouteriegeschäft ein. Seine Frau Rosa zog mit dem Spezereiladen ihrer Mutter Marie Neuenschwander-Engel (1837-1922) aus dem Fellhaus (W12) an den neuen Ort um. Er wurde 1916 in eine Drogerie umgewandelt.
Die Töchter Luise und Rosa wurden Drogistinnen, arbeiteten in verschiedenen Drogerien und bildeten sich weiter. Rosa kehrte 1940 nach Oberdiessbach zurück. Sie leitete die Drogerie bis zu ihrer Pensionierung. 1952 wurde eine Apotheke angegliedert, die der jüngste Sohn, der Apotheker Franz Vogt-Burkhard, mit seiner Frau Dolores (Apothekerin) führte. Felix Vogt jun. wurde Uhrmacher. Er arbeitete mit seinem Vater zusammen und übernahm später das Uhrengeschäft und die Bijouterie. Hans Rudolf Vogt, Sohn des Felix jun., seines Zeichens Uhrmacher und Augenoptiker, zügelte das Geschäft 1974 an die Kirchstrasse 6. Er wirkte von 2002-2017 als Gemeindepräsident (wie schon Fritz Vogt, Sohn des Friedrich). Drogerie und Apotheke wurden 1986 von Markus Schmid erworben. Hermann Vogt (1878-1938) wirkte als Lehrer in Oberdiessbach, trat dann in leitender Stellung in die Firma Neuenschwander ein, zuerst als Buchhalter, dann als Leiter der Emmentalischen Obstexport-und später der Kantonal-Bernischen Obsthandelsgesellschaft. Er schrieb viele Lieder, Gedichte und ein Singspiel und war Chefredaktor der Schweizerischen Schützenzeitung. Ida Vogt (1880-1916) war Modistin (Hut-und Putzmacherin). Louise (1882) starb bereits mit 6 Monaten. Hedwig (1883-1915) war Lehrerin in Aeschlen bei Sigriswil. Hermine (1889-1919) gehörte zu den Opfern der Grippe-Epidemie in der Schweiz und starb mit 30 Jahren. Willy Vogt (1887-1965) lernte Elektrotechniker. Und Friedrich Vogt (1894-1940) wurde Mechanikermeister.
Aus der Geschichte der Vogt AG
Die mechanische Werkstätte Vogt wurde 1916 durch die drei Brüder Felix, Willy und Friedrich Vogt gegründet (Bild). Bereits 1912 hatte Felix Vogt das alte Primarschulhaus auf dem Hübeli samt Umschwung (A8) gekauft, im Hinblick auf den Bau einer Werkstätte und Fabrik. In dieser wurden vorerst Drehbänke, Schraubstöcke und elektrische Apparate produziert. 1928 teilten die Brüder die Firma auf: Willy übernahm das Elektrische (heute Elektro Vogt an der Thunstrasse 4) und Friedrich widmete sich dem mechanischen Bereich (heute: Vogt AG), Felix blieb stiller Teilhaber und Geldgeber. 1932 kam die erste Vogt-Feuerwehrmotorspritze auf den Markt. Die Leistung der Spritze wurde auf anschauliche Weise mit der Wurfhöhe des Wasserstrahls neben der Kirche Oberdiessbach demonstriert. In den Jahren 1940-1954 trat die zweite Generation in die Geschäftsleitung ein, nämlich Walter Vogt, Sohn von Felix sen., Ernst Baumann-Vogt zusammen mit den Söhnen von Friedrich, Hans und Fritz Vogt. Es folgte die Herstellung von Armaturen (Strahlrohre, Teilstücke etc.) sowie Feuerlöschposten. Mit der Übernahme der Generalvertretung der Firma Ziegler in Giengen D für die Schweiz begann die Ära des Feuerwehrfahrzeugbaus. 1962 verliess das erste Feuerwehrfahrzeug die Werkstätten. Dank der positiven Entwicklung des Fahrzeuggeschäftes konnten die heutige Fabrik, Montagehalle und Lagerräume erstellt werden. 1990 übernahm die dritte Generation die Geschäftsleitung. Ab 1995 wurde die Fahrzeugelektrik integriert. Nun spezialisierte man sich weiter auf mobile Grossventilatoren und den Bau von Sonderfahrzeugen für die Bahn und Flugbetriebe. Im Zuge der Nachfolgeregelung der Familie Vogt übernahm 2015 eine Gruppe Schweizer Unternehmer via Artum AG die Vogt AG.