(FGy) Unsere Grosseltern sangen: «Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum, ich träumt in seinem Schatten so manchen süssen Traum …» (Link)

Die Linde von Süden Richtung Oberdiessbach gesehen. Foto: M. Violi

Die Linde, ein geheimnisumwobener Baum, ist im Emmental häufig anzutreffen, oft als markanter Einzelbaum bei Bauernhäusern oder auf einem Hügel stehend. Der Linde werden viel gute Eigenschaften zugeschrieben: Sie gilt als Kraftort, Marienbaum, Liebesbaum, Gerichtsbaum, Tanzbaum, Schutzbaum, Familienbaum. Lindenholz wird vor allem in der Bildhauerei, zum Schnitzen und für Drechselarbeiten verwendet. Da Heiligenstatuen häufig aus Lindenholz gefertigt wurden, galt es als «lignum sacrum»  – als «heiliges Holz».

Da die Bienen aus dem Nektar der Linde beachtliche Mengen an Lindenblütenhonig produzieren können, wird die Linde von Imkern während der Blüte als Bienenweide besonders geschätzt. Getrocknete Lindenblüten ergeben einen Heiltee, der beruhigend auf die Nerven wirkt. Bei Erkältungen hilft er durch seine schweisstreibende und den Hustenreiz lindernde Wirkung.

Vor der Einführung von Leinen und Hanf – also vermutlich bis zur Spätantike – verwendete man in Mitteleuropa die Fasern des weichen Lindenholzes – den Bast – zur Herstellung von Seilen, Matten, Taschen und Kleidung. Der Lindenbast wurde im Mai von jungen Linden (auch Baest genannt) gewonnen. Man schälte die Rinde weg, trennte ihre weiche Innenseite ab und legte sie ins Wasser, bis sich der Bast ablöste; er wurde dann in der Sonne getrocknet.

Von der Linde sagt man, dass sie dreimal dreihundert Jahre leben kann, d.h. sie kann bis zu tausend Jahre alt werden. Wenn sie im Inneren längst morsch und hohl ist, könnte man meinen, dass ihr Leben zu Ende geht, doch das täuscht oft. Diese Baumart hat die Fähigkeit, sich von innen heraus zu erneuern. Bis in hohe Alter spriessen neue Wurzeln in den Boden, was zur Bildung von neuen Trieben führt.

Dieser markante Baum am Spazierweg hinter dem Bauernhaus Bläuer (Lindenstrasse 20) in Richtung Brenzikofen ist eine Sommerlinde. Sie ist 250 bis 300 Jahre alt, hat einen Stammumfang von 6 Metern und ist 14 bis 18 Meter hoch. Sie zählt zu den schützenswerten Bäumen unserer Gemeinde. Durch den aufgerissenen Stamm ist die Linde jedoch stark gefährdet und wurde deshalb 2018 von Fachleuten saniert.

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