(PVo/HPS) Die heutige Kirche von 1498 wurde an der Schwelle zur Renaissance gebaut. Die Kosten wurden zwischen dem Schlossherrn Ludwig v. Diesbach, seinen Untertanen und dem Pfarrer geteilt. Aus der Bauzeit stammen die Konsolen des Chorgewölbes, sowie die Skulpturen einer sechsstrahligen Sonne und eines Menschenkopfes. Die Sonne könnte auf den Wappenspruch der damaligen Schlossfamilie v. Diesbach verweisen: «Nach der Dunkelheit die Sonne.» Das rätselhafte Frauengesicht könnte ein Hinweis auf die damalige Verehrung Marias sein. Im Dorfbrand vom 28. August 1559 wurde die Kirche zerstört. Vom Wiederaufbau im Jahre 1560 zeugen der oktogone Taufstein, die vier von den jeweiligen Familien gestifteten Wappenscheiben im Chor und das

Gesamterneuerung 1938 | Bild: PVo 12

Bärn-Rych-Wappen an der westlichen Aussenwand. 1569 ist für die Kirche im Zusammenhang mit der Aufstockung des Turmes erstmals eine Glocke nachgewiesen. 1579 wurde der annähernd quadratische, gewölbte Raum zwischen Turm und Chor angebaut. Hinter dicken Mauern lagerten hier Pulver und Blei, aber auch das Reisgeld (Sold für militärische Dienste im «Ausland»). 1590 wurde der Raum auch ein Depot für Dachziegel, offensichtlich hatte das Schindeldach ausgedient.

1753 wurde die Kirche renoviert. Und dann wieder 1797 – kurz vor dem Sturz des Ancien Régime. Ein Jahr später wäre das dafür nötige Geld nicht mehr vorhanden gewesen, denn die Kirchgemeinde musste den eingedrungenen Franzosen eine gewaltige Summe abliefern! Die Dreihundertjahrfeier der bernischen Reformation 1828 war Grund für eine weitere Renovation. Damals wurden die Emporen an den Längsseiten des Schiffs angebracht. Ab 1895 hatte der Kirchturm 4 Zifferblätter: Ausdruck für die Entwicklung des Dorfes auf alle vier Seiten hin.

Titel des Leitbildes der Kirchgemeinde Oberdiessbach

Um Platz für die neue, im neugotischen Stil gehaltene Orgel zu schaffen, wurde die Decke 1902 erhöht und die südliche Längs-Empore wieder abgebrochen. Die Glasmalerei mit den Emmausjüngern und das bunte Kathedralglas der übrigen Fenster sowie die symmetrische Verteilung der vier Wappenscheiben stammen ebenfalls aus dieser Zeit. Bei der Erneuerung des Westausgangs der Kirche (inkl. Vorscherm) von 1936 wurde der schöne gotische Türbogen freigelegt. 1938, kurz vor der kommenden Weltkatastrophe, erfolgte eine Gesamterneuerung der Kirche. Das Chorgewölbe wurde wiederhergestellt. Die Gewölbeschlusssteine wurden mit dem Christusmonogramm und dem (einzigen) Kreuz in der Kirche verziert, flankiert von zwei Tauben. An der Nordwand wurde eine steinerne Wappen-Tafel der Schlossfamilie v. Wattenwyl angebracht, mit dem Familien-Motto: «Unter dem Schatten deiner Flügel behüte uns, o Herr.» Das Flügeltürlein an der Südwand erinnert an eine vorreformatorische Sakramentennische, die 1938 zum Vorschein kam. Anlässlich der Verbreiterung der Kirche um 2,2 Meter wurden die nördliche Längs-Empore abgebrochen und die Decke des Schiffes wieder flachgelegt. Die Breite der «schlankeren» Kirche ist vor dem Chorbogen noch erkennbar. Die Kirchgemeinden stifteten sechs Wappenscheiben im hinteren Schiff. Die Kirche erhielt ihre erste Elektroheizung und eine neue Beleuchtung.

1978 erhielten die Zifferblätter und Zeiger die heutige Gestaltung. Anlässlich der Renovation von 1997 wurden die Kirchenbänke ersetzt und an den Wänden entlang Durchgänge freigelassen. Anstelle der vordersten Bankreihen gab es nun Stühle und der Boden wurde isoliert. Die Turmuhr wird nun via Funk von einer Atomuhr in Frankfurt gesteuert. Beamer und Leinwand eröffneten neue Möglichkeiten in der Gestaltung des Gottesdienstes. So oder so: Die Kirche bleibt auch nach ihrem 500-Jahr-Jubiläum eine Baustelle – und das nicht nur äusserlich.

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