Das Galgenhübeli liegt am Weg, der von unterhalb des Sonnrains bis zum Hubemoos führt.Der kleine Geländevorsprung oben am Grundrain ist laut der ältesten Überlieferung das Galgenhübeli. Es ist aber anzunehmen, dass die historische Richtstätte rund 300 Meter südlich von hier lag. Ursprünglich lag sie am Fuss des Helisbühls (K1). Das Galgenhübeli war nötig, weil die Herren von Oberdiessbach – in Absprache mit den Gerichtssässen – auch Todesurteile aussprechen konnten. Ob die Todesstrafe abschreckend wirkte, sei dahingestellt. Die Hinrichtungen jedenfalls wurden zu einem eigentlichen Spektakel für das Volk. In unserer Region bis Mitte des 19. Jahrhunderts.
Recht und Unrecht
Zur Herrschaft Diessbach gehörten die Höfe und Rechte in Oberdiessbach, Hauben, Aeschlen, Bleiken und Glasholz; ebenso in Barschwand, Schöntal und Aussenbirrmoos am Kurzenberg (heute: Linden). Vorerst überliess die Stadt Bern (gegründet 1191) den lokalen Herren die überkommenen Rechte. Als 1378 der Bernburger Mathias Bogkess die Herrschaft Diessbach von der Münsinger Familie der Senn (A3) übernehmen konnte, übte er sowohl die niedere wie auch die hohe Gerichtsbarkeit aus (siehe unten). Die Macht der lokalen Herrschaften wurde von der Stadt Bern aber zunehmend in Frage gestellt. Das Kompetenzgerangel um die Beurteilung einer Schlägerei anlässlich einer Hochzeit in Richigen bei Worb wurde zur Grundsatzfrage im Streit zwischen der Stadt Bern und den lokalen Twingherren emporstilisiert. Mitbeteiligt war Niklaus von Diessbach (A4), als Herr auch über Worb. Die Auseinandersetzung wurde 1471 vom Grossen Rat zugunsten der Stadt entschieden. Fortan war die Stadt beim Landgericht präsent und siegelte die Beschlüsse der lokalen Herren. Trotzdem blieben den lokalen Herren noch viele Rechte.
Als einzige Herrschaft des Landgerichts Konolfingen verfügte Oberdiessbach weiterhin über die hohe Gerichtsbarkeit. Sie betraf die Rechtssprechung über schwere Verbrechen wie Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl und andere Verbrechen, die damals mit der Todesstrafe gesühnt werden konnten. Die niedere Gerichtsbarkeit umfasste Übertretungen und Rechtsbrüche, die heute mit Polizeibussen, Geldstrafen oder einer kürzeren Gefängnisstrafe geahndet werden. Die Strafen wurden zur Vergeltung und Abschreckung ausgesprochen. Im Strafen-und Bussenverzeichnis der Herrschaft Diessbach wurde für jedes Vergehen die passende Strafe in Aussicht gestellt. So drohte etwa bei den meisten Vergehen, die nachts begangen wurden, eine dreifache Busse. Angeklagte, die im Käfigturm des Alten Schlosses festsassen, wurden manchmal gefoltert, um Geständnisse zu erreichen oder gar einen bösen Geist auszutreiben. Das lokale Gericht traf sich alle 14 Tage. Die Herrschaft, bei uns der Schlossherr, ernannte den leitenden Ammann, den Weibel und den Schreiber. Der Weibel hatte vielfältige Aufgaben. Er musste allfällige Frevel melden, Pfändungen vornehmen, Bussen einziehen, Bettler und Landstreicher wegweisen oder verhaften und die Gefangenen im Käfigturm (A5) betreuen. Bei der Wahl der zwölf Gerichtssässen konnten teilweise auch die Herrschaftsangehörigen mitreden. Der jüngste Gerichtssäss musste den Weibel bei allfälligen Folterungen unterstützen. Sie wurden eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen oder «böse Geister» auszutreiben.
Im Fall einer Todesstrafe liess man den Scharfrichter aus Bern kommen. Der grössere Landgerichtstag fand jeweils an einem zentralen Platz statt, in unserm Dorf beim Löwen. Speziell ernannte Blutrichter fällten die Todesstrafe. Neben dem leitenden Statthalter von Bern war der Schlossherr als oberster Gerichtsherr dabei. Er wirkte als eine Art Rekursinstanz. Die allfällige Strafmilderung war manchmal schlicht eine «sanftere» Ausführung der Todesstrafe: etwa das «schmerzlose» Köpfen mit dem Schwert anstelle des Hängens. Nach dem Urteil zog die Menge von der Löwenmatte aus in Richtung Galgenhübeli, um sich dort das Schauspiel der Exekution anzusehen. Anschliessend hatte der Löwenwirt alle Hände voll zu tun, um die vielen Schaulustigen zu verpflegen. Auch nach der Reformation wurden harte Strafen gefällt. Neben der Todesstrafe waren nun das Verbringen auf die Galeeren oder die ewige Landesverweisung beliebte Strafen für schwere Vergehen. Eines der letzten Todesurteile wurde in Diessbach wohl 1735 gefällt.
Mit dem Einmarsch der Franzosen verloren die lokalen Herren ihre bisherige Gerichtsbarkeit. Sie ging nun ganz an den Staat Bern über. Die letzte Hinrichtung im Gebiet des Landgerichts Konolfingen erfolgte 1854 im Kühmoos bei Schlosswil. Erst 1861 kam das Hinrichten im Kanton Bern zu seinem Ende. Mit der Einführung des Verfassungsstaates (1831: erste Verfassung des Kantons Bern) und der Gewaltentrennung zwischen Legislative (Grosser Rat), Exekutive (Regierung) und der Judikative (Gericht) bekamen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger zunehmend mehr Rechte, die sie vor den «Mächtigen» schützen sollten.