Schloss-Strasse 48

Das Alte Schloss mit dem Käfigturm wurde zwischen 1546 und 1566 durch Niklaus v. Diesbach (1511-1585) erbaut. Zur Gebäudegruppe gehören das Kornhaus (Schloss-Strasse 44), die Scheune (Schloss-Strasse 46), das ehemalige Ofenhaus (Schloss-Strasse 48B) sowie die so genannte «Mittlere Mühle» (Schloss-Strasse 52). Die Gebäude sind auf einer Hangkante über dem Diessbach und der heutigen Schloss-Strasse entlang einer Ringmauer aufgereiht. Zur Gruppe gehören auch zwei weitere ehemalige Schlossmühlen (Schloss-Strasse 43 und 56). Heute müssen wir davon ausgehen, dass die südlich gelegenen Bauten der Anlage im 17. Jh. für die Errichtung des Neuen Schlosses abgebrochen wurden.

Familie v. Diesbach

Schultheiss Niklaus v. Diesbach (1430-1475) | NVo Seite 27

Der Name «von Diessbach» wurde erstmals 1156 erwähnt. Ob damit der Ort Diessbach bei Büren oder unser «oberes» Diessbach gemeint war, muss aber offen bleiben. 1334 war ein Niklaus von Diesbach einer der sechs Venner (Beamte und militärische Führer) von Bern. 1416 wurde die Familie in Bern eingebürgert. Stammvater der hier untersuchten von Diesbach war Clewi (Claus, Niklaus). Clewis Vater war möglicherweise der Goldschmied Peter von Diessbach, 1356 als Burger von Thun erwähnt. Clewi, auch er vorerst Goldschmied, wirkte dann aber im Rat zu Bern mit (1422-1436). Clewi gründete gemeinsam mit der Familie Watt aus St.Gallen die damals grösste schweizerische Handelsgesellschaft und wurde mit Leinwandhandel in ganz Westeuropa reich. Er wohnte in der Stadt Bern und besass dort mehrere Häuser. Das Haus an der Kreuzgasse in Bern gehört bis heute der Familie v. Diesbach. 1427 erwarb er die Hälfte der Herrschaft Diessbach. 1434 bekam Clewi als Dank für geleistete Dienste für den deutschen Kaiser Sigismund einen Wappenbrief und erhielt den Junkertitel. Damit war es so weit: Er stieg vom Handelsmann zum Adligen auf. Das (neue) Familienwappen zeigte zwei goldene Löwen (wurde 1943 von der Gemeinde als Ortswappen übernommen). Clewi starb 1436 mit einem Rekordvermögen von 70‘000 Gulden, was heute ungefähr CHF 4,2 Mio entspricht.

Seine drei Söhne Loy (ca. 1400-1451), Ludwig (1418-1452) und Hans (gest. 1458) bewegten sich als standesbewusste Edelleute und Krieger im Umfeld des Freistaates Bern. Von Loy (Luzius), einem dieser drei Brüder, stammt Niklaus v. Diesbach (1430-1475) ab. (Bild). Schon mit 14 Jahren wurde er nach Spanien geschickt, um sich in den Niederlassungen der Handelsgesellschaft Diesbach-Watt auszubilden. Er kam mit 22 Jahren in den Rat zu Bern. 1465 wurde er Schultheiss und damit oberster Herrscher im Staate Bern. Niklaus wurde als Vertreter Berns und der Eidgenossen an den französischen Hof (mit dem damaligen König Ludwig XI.) und nach Savoyen gesandt. Auch dank seinem Einfluss wandte sich Bern gegen den aufstrebenden Herzog von Burgund, Karl den Kühnen, der schliesslich in den Burgunderkriegen von Bern mit gütiger Hilfe der Eidgenossen in die Knie gezwungen wurde. 1469 erwarb Niklaus den zweiten Teil der Herrschaft Diessbach. Der Vorgängerbau des Alten Schlosses (Mitte des 15. Jh.) war ein aus Holz gebautes Sässhaus (A3), bestehend aus Wohnhaus und Speicher, vielleicht von einer schützenden Mauer oder Palisade umgeben. Niklaus starb schliesslich mit 45 Jahren – nach dem Hufschlag eines Pferdes, vielleicht auch an der Pest. Er wurde in der Familienkapelle im Berner Münster beerdigt. In den nächsten Jahren sollte in der Folge sein ärgster Konkurrent – Adrian von Bubenberg – im Staate Bern den Ton angeben.

Altes Schloss, Planausschnitt aus dem Jahre 1716 von Johann Adam Riediger | Familie v. Wattenwyl

Niklaus war nicht der einzige Berner Spitzenmann. Sein Onkel Ludwig v. Diesbach (1418-1452) hatte zwei Söhne. Wilhelm (1442-1517) wirkte im Rate zu Bern – und zwar 42 Jahre lang. Er focht 1476 bei Murten gegen Karl den Kühnen. 1481 wurde auch er Schultheiss. Im Schwabenkrieg (1499 gegen die Habsburger) befehligte er 3000 Mann, darunter 20 Diessbacher. Darüber hinaus war er wohltätig und begünstigte Künstler und fahrende Schüler. Sein Bruder Ludwig v. Diesbach (1452-1527) war u.a. auch Herr von Diessbach. Daneben lebte er aber längere Zeit am französischen Hof. Ludwig war ein guter Krieger, aber ein schlechter Haushalter. Mit seinen Untertanen in Oberdiessbach stritt er sich um Waldungen und die Frage, wer 1499 den Bau des Chors in der Kirche finanzieren sollte (K3). Der Vater von 15 Kindern – darunter drei Töchtern – hatte immer wieder finanzielle Probleme. Er musste die Herrschaft Diessbach schliesslich an seine zweite Frau Agathe von Bonstetten (gest. 1528) verkaufen. Diese verkaufte den Besitz oder die Herrschaft 1526 weiter an ihren ältesten Sohn Felix v. Diesbach (1497-1544). Aber auch er war ein schlechter Haushalter. Peter Dittlinger, der Beistand seiner minderjährigen Kinder, war gezwungen, die Herrschaft 1547 an den jüngeren Bruder von Felix zu verkaufen, einem weiteren Niklaus v. Diesbach (1511-1585). Dieser errichtete 1546 bis 1566 das steinerne Alte Schloss (Bild). Niklaus machte dem Motto im «Allianzwappen» – einem Verweis auf seine Ehe mit Maria von Erlach (1544-1593) – über dem alten Schlosstor «Nach den Wolken die Sonne» alle Ehre. Er brachte die

Das Alte Schloss heute. Dieser Standpunkt ist nicht öffentlich zugänglich. Bild: Markus Beyeler

Herrschaft wieder auf Vordermann und wirkte in Berns Auftrag als Landvogt u.a. in Lenzburg (1550). Niklaus starb 1585 und wurde im Chor der Kirche Oberdiessbach begraben, wo zwei Holz-Gedenktafeln – heute in der später angebauten «Grabkapelle» – in lateinischer Sprache über ihn berichten.

Sein zweiter Sohn Jost (1570-1620) mit dem Spitznamen «der Dicke» erbte die Herrschaft. Er erneuerte die Gerichts-und Dorfordnungen. Sein Wappen findet sich an der unteren Schlossmühle (W1).Christoffel (1589-1636), der älteste Sohn von Jost, war der letzte Besitzer aus dem Geschlecht der v. Diesbach, deren Herrschaft immerhin 220 Jahre dauerte. Nach seinem Tod 1636 wurde die Herrschaft durch die Vormünder seiner zweiten Frau – Magdalena v. Wattenwyl – verwaltet. Diese verkauften den Besitz 1647 schliesslich an ihren Schwiegersohn Sigmund v. Wattenwyl (1626-1660). Somit konnte eine weitere Oberdiessbacher Familiensaga beginnen. Aber das ist eine andere Geschichte (A5). Die Familie v. Diesbach konnte sich nach der Reformation mit dem neuen Glauben im Staate Bern nicht anfreunden. Sie liess sich im katholischen Fribourg nieder und verzichtete auf das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bern. Die Berner Linie starb 1917 aus, die Freiburger Linie gibt es aber bis heute.

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